Ein stacheliges Weihnachtsfest!

Was gibt es schöneres, als in dieser kalten und dunklen Adventszeit gemütlich im Kreis der Lieben am warmen Ofen bei einem Tee oder Glühwein zu sitzen, schöne Gespräche führen und vor allem den Kindern eine Geschichte vorzulesen. Ich habe mir vor einigen Jahren eine Weihnachtsgeschichte ausgedacht, die auf wahren Begebenheiten beruht und Groß und Klein sicher Spass macht.

Ein stacheliges Weihnachtsfest!

Aber nicht bei diesem Wetter! maulte Sina und kuschelte sich tiefer in ihre warme Sitzecke, in der sie bisher in einem spannendenden Buch geschmökert hatte. Seit ein paar Tagen war es immer kälter geworden und heute Morgen hatte Sina beim Frühstück gesehen, dass das Dach des gegenüber liegenden Hauses ganz weiß war vom nächtlichen Reif. Auch tagsüber hatte es immer wieder Schnee geflöckelt, also wirklich kein Wetter, um das warme Zimmer zu verlassen! Aber ihr Papa war unerbittlich, sprach von gesunder Luft und notwendiger Bewegung und überhaupt wäre es ja Sonntag und also Zeit für den Sonntagnachmittagsspaziergang! Und als er dann auch noch eine schöne, heiße Tasse Kakao im Cafe unterwegs in Aussicht stellte, war Sina überredet, denn es gibt doch nichts schöneres als heißen Kakao, natürlich mit viel Zucker und einer Sahnehaube drauf. Auch Tim, ihr kleiner Bruder, klatschte begeistert in die Hände und hüpfte herum.
Mama schaute darauf, dass Sina und Tim auch warm einpackt waren und dann ging es los in die klirrende Kälte. Schneeflocken und Sonnenschein wechselten sich ab und es war schon ein besonderes Vergnügen, die vielen Schneeflocken mit dem Mund zu fangen und das kalte Schmelzen im Mund zu spüren. Unterwegs, an einem nahegelegenen Wäldchen, gab es auch noch einen schönen Spielplatz mit einem großen Piratennetz zum Klettern, auch spielte sie mit Tim und den Eltern Fange, so dass es doch toll war, rausgegangen zu sein.
Der Weg führte dann wieder dem Dorf zu, Richtung Cafe, und Sina vermeinte schon den süßen Geschmack des versprochenen Kakaos auf der Zunge zu spüren. Plötzlich sah sie aber auf einer Wiese, die zu einem Wohnblock gehörte, ein rundes, graues Etwas, das sich dunkel von dem noch nicht geschmolzenen Reif abhob! Mama, guck mal, da sitzt was, rief sie aufgeregt und sprang schnell auf die große Wiese. Als sie näherkam, erkannte sie eine stachelige Kugel, die sich ganz leicht bewegte, wie wenn sie atmen würde. Ein Igel, ein Igel! rief Sina und winkte ihre Eltern, damit diese näherkamen. Und tatsächlich, ungeschützt mitten auf der Wiese saß ein schmaler Igel, der sich beim Näherkommen von Sina zu einer stachelbewehrten Kugel geformt hatte. Wie klein der ist, hat der denn nicht genügend zu essen, wieso sitzt er hier mitten in der Wiese im Schnee, hat er denn kein gutes Versteck, ist es hier denn nicht für ihn gefährlich wegen der vielen Hunde?, diese Fragen sprudelten aus Sinas Mund. Wir müssen ihn sofort mitnehmen, damit ihm nichts passiert, rief sie entschieden ihren Eltern und Tim zu, die inzwischen auch das Fundstück betrachteten. Ach Sina, seufzte die Mutter, du mit deinen gefundenen Tieren! Denn Sina brachte immer mal wieder Tiere heim, um sie wieder aufzupäppeln. Kürzlich war es sogar eine kleine Maus, die sie einer Katze abjagte und die dann doch tatsächlich, nach ein paar Ruhetagen, fröhlich sich in den Garten davon machte. Und jetzt ein Igel!
Aber Sina ließ sich nicht mehr davon abbringen. Gell Papa, wir bauen für den Igel ein gemütliches Häuschen, damit er dort seinen Winterschlaf halten kann und ich schaue gleich im Internet, was man sonst alles machen muss, sagte sie eifrig. Der schöne Kakao war vergessen, jetzt musste man den Igel von dieser gefährlichen Stelle sofort wegbringen. Und wie wenn der Igel Sina verstanden hätte, rollte er sich langsam auf, streckte seine Füßchen und hob witternd seine feuchte Nase in die Luft und schaute die Menschen mit blitzenden, schwarzen kleinen Knopfaugen an. Er soll Mecki heißen, sagte Sina, und alle waren einverstanden. Nun war aber guter Rat teuer, denn wie sollte man den Igel mit diesen spitzen Stacheln denn wegbringen? Sina schaute sich suchend um und sah am danebenliegenden Bauernhof alte Blumentöpfe aus schwarzem Plastik liegen. Die werden sicher nicht mehr gebraucht, rief sie, und schnell war der Igel in einem solchen Topf verstaut und heim ging es auf direktem Weg.
Ein ganz großer Karton war gleich gefunden und mit Holzwolle ausgepolstert, darin baute Sina mit ihrem Papa und Tim ein Häuschen mit einer großen Aussparung, wie bei einer Hundehütte, nur kleiner, und tat, zum Kuscheln, weiches Papier hinein und schob Mecki hinterher. Am nächsten Tag hatte die Mutter gleich einen Tierarzttermin vereinbart und nach der Schule und dem Mittagessen legte Sina den Igel in einen kleinen, gut ausgepolsterten Karton und ging mit ihrer Mama zu Dr. Schulze, dem Tierarzt im Nachbarort.

Das Wartezimmer war voll von Menschen mit ihren Tieren. Es gab große und kleine Hunde, die ganz brav dasaßen, 2 Katzen in ihren Körbchen, sogar ein Goldfisch im Glas mit Wasser, nur Sinas Patient war der einzige Igel. Endlich kamen sie dran und Dr. Schulze legte den Igel vorsichtig auf einen großen Tisch und untersuchte ihn zuerst nach Zecken und Flöhen. Dann wog er ihn auf einer kleinen Waage und wiegte bedenklich seinen Kopf. Nicht mal 280 Gramm, meinte er, der muss aber noch deutlich an Gewicht zulegen, sagte er und gab Sina ein Merkblatt über die richtige Igelpflege. Sina müsse jeden Tag nun eine halbe Stunde einrechnen, um den Igel zu füttern, Futter einzukaufen und den Stall zu säubern. Kein Problem, meinte Sina eifrig, die Mutter erinnerte sie aber an die Nachmittagsschule und die vielen Hausaufgaben, die dürften nicht leiden!
Und so waren die nächsten Wochen ganz spannend. Kaum war das Mittagessen vorbei, ging Sina schnell zu „ihrem“ Igel, machte die Dose mit Katzenfutter auf, schnitt Äpfel klein, knackte Nüsse, alles schien Mecki wunderbar zu schmecken, man hörte wie er genüsslich schmatzte und schlürfte. Natürlich musste Sie Mecki auch ihren Freundinnen zeigen, Carolin, Hannah und Ann-Kathrin waren begeistert und bestaunten das putzige Tierchen, auch ihr Freund Felix fand es toll! Und immer wieder half ihre Mama, den Igel mit der Küchenwaage zu wiegen. Schon wieder 50 Gramm mehr, rief dann Sina ganz begeistert. Eines Tages aber, als Sina ihn wieder versorgen wollte, kam er nicht mehr aus seinem Häuschen. Die Mama meinte, der macht nun sicher seinen Winterschlaf, und Tim hörte sogar ein leichtes, langsames Schnaufen. Trotzdem ging Sina jeden Tag in die Kellerecke, um nachzuschauen, aber das Futter und das Wasserschüsselchen waren immer unberührt.
Und so blieb es die ganze schöne Adventszeit, manchmal vergaß sie Mecki fast. Denn es war vor Weihnachten wie immer viel los: Weihnachtsfeier in der Schule, Mithelfen bei Weihnachtsmarktverkauf, Basteln von Geschenken, Vorflöten in dem Altersheim und Mithilfe beim Backen von Gutsle. Und so kamen die Weihnachtsferien und der Heilige Abend, an dem auch die Großeltern kommen sollten. Morgens ging Sina mal wieder zum Igelstall und staunte nicht schlecht, dass das Futterschüsselchen ganz sauber ausgegessen war, auch das Wasser war ausgetrunken. Und mitten in seinem Gehege tapste und krabbelte Mecki umher und schnüffelte mit seiner schwarzen spitzen Nase in jeder Ecke und kaute am alten Holz, das ihm Sina hingelegt hatte, wie es im Merkblatt stand. Bist du extra am Heiligen Abend aufgewacht, um auch den Weihnachtsbaum zu sehen und die Geschenke, die das Christkind gebracht hat, rief sie und natürlich durfte Mecki mit zur Bescherung.
Als das Glöckchen hell klingelte, stürmten die Kinder ins Wohnzimmer und bestaunten den wunderschön geschmückten Weihnachtsbaum mit den vielen hellen Lichtern, den Strohsternen und den Glaskugeln. Sina hatte Mecki in einer ausgepolsterten Schachtel mit hochgenommen und zeigte ihm den prachtvollen Baum und die vielen Geschenke, die darunter lagen. Zuerst wird gesungen, meinte Oma Martha, und stimmte mit lauter Stimme „O du fröhliche“ an. Opa Fritz brummte auch mit und die Eltern und die beiden Kinder sangen mit hellen Stimmen. Danach musste Sina noch zwei schöne Musikstücke auf ihrer Blockflöte vorspielen, dann ging es, endlich, an das Geschenke verteilen. Mecki marschierte zwischen den Menschen und den Geschenken umher, wie wenn er schon immer zur Familie gehören würde. Überall schnuffelte er herum, in jedes Päckchen sah er neugierig hinein und Tim setzte ihn auf seinen neuen Lastwagen, den er vom Christkind bekommen hatte. Es wurde also ein wunderschöner, fröhlicher Heilige Abend und als es für die Menschen Würstchen mit Kartoffelsalat gab, schmatzte Mecki am leckeren Hühnerfleisch, das die Mutter aus dem Kühlschrank brachte. Danach machte es sich der Igel unter dem Weihnachtsbaum auf dem weichen Geschenkpapier richtig gemütlich und sah mit schwarzen, blitzenden Augen hervor. Oma Ilse meinte noch, unter großem Gelächter, heute haben wir große Freude an

Stacheligem: Einmal an unserem wunderschön geschmückten Weihnachtsbaum mit seinen langen grünen Nadel und an dem stacheligen Igelkind, dem Mecki, und man war sich einig, dass es diesmal ein besonderer Heiliger Abend war. Mecki aber hatte sich zu einer stacheligen Kugel zusammengerollt und schnaufte ganz tief und langsam und Sina brachte ihn vorsichtig und behutsam zu seinem Stall und in sein Häuschen zurück.
Und wollt ihr wissen wie es weiterging? Im März rumorte Mecki vernehmlich in seinem Stall, er fraß Unmengen und lief aufgeregt in seinem Gehege herum. Papa meinte, dass es nun Zeit wäre von Mecki Abschied zu nehmen und an einem schönen, schon warmen Tag, setzten sie Mecki in dem riesigen Gartengrundstück von Tante Elfriede, weit weg von gefährlichen Straßen, in das schon sprießende grüne Gras. Mecki schaute sich prüfend um, schnüffelte hierhin und dahin und marschierte dann zielstrebig ins Gebüsch. Und hatte er nicht noch Sina besonders, wie zum Dank, zugenickt?
Remseck, im Advent 2011 Peter-Jürgen Gauß

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